Berliner Morgenpost 03.05.1995

 

Hofstetter übt an Müller böse Rache für Shakespeare
Hamletmaschine im bat-Studiotheater

 

Von Christian Schindler

 

Der Abend im Podewil wirkt wie die Rache eines Shakespeare Freundes an Heiner Müller. Einst hatte Müller den "Hamlet" des großen Engländers in Textstückchen zerschlagen, mit denen die Sprecher – von Rollen kann keine Rede sein – die Ohnmacht des Menschen in einer totalen Medienwelt festellte. "Hamletmaschine" heißt der lesenswerte, aber kaum spielbare Text

 

Jetzt hat der Bühnenbildner Michael Hofstetter für das bat-Studiotheater der Schauspiel-Hochschule "Ernst Busch" Müllers Text in winzigen Auszügen zusammen mit einzelnen Wörtern auf viele Holzwürfel drucken lassen und diese über die Bühne verstreut. Ein passendes Bild: So wie Hofstetter mit Müllers Text umgeht, behandelte Müller das Shakespeare-Werk.

 

Doch dieses Bild hilft der Inszenierung von Tobias Veit nicht auf die Sprünge. Er hetzt die Schauspielerinnen Ulrike Hübschmann und Antje Lindemann unmotiviert über die Würfel, die sie zu immer neuen Konstruktionen zusammenstellen müssen. Sie dürften noch nicht einmal Müllers Text im Zusammenhang sprechen. Bruchstücke, die ständig wiederholt werden erlauben kein dramatisches Geschehen und die beiden Frauen dürfen nur beweisen , daß sie gut artikulieren können. Einmal müssen sie einige Texte und dann sich selbst mit Kameras filmen, die ihre Bilder auf große Leinwände werfen. Wieder ein gutes Bild für die Bühnenuntauglichkeit des Werkes. Er reflektiert die Literatur als auf sich selbst bezogenes System. Doch eine Theorie macht noch lange kein Drama.

 

André Werner hat dazu eine Musik geschrieben, der ebenfalls jedes dramatisches Element fehlt. Lautsprecherverstärkt müssen drei Sängerinnen, in Stahlgerüsten im Hintergrund eingepfercht, ein bißchen akustischen Kommentar liefern. Am Ende leisten die Sängerinnen in elisabethanischen Kostümen den Schauspielerinnen auf den Kisten Gesellschaft und als einzige von ihnen darf Eiko Morikawa Stimmvolumen und Tonsicherheit unter Beweis stellen.

 

So will Veit doch noch ein bißchen Theaterzauber für seine Inszenierung gewinnen. Daß dies unmöglich ist, mußte ihm schon klar gewesen sein, als er Fernseh- und Filmausschnitte auf die Leinwände werfen ließ. Diese waren zumindest fürs teilweise vor Schluß flüchtende Premieren Publikum interessanter als das Bühnengeschehen und somit ein Armutszeugnis für letzteres.