Michael Hofstetter: Dem Anschauer, 1990
Akademie der Bildenden Künste München


Konzept

Den Raum, in dem ich zehn Semester studiert hatte, in einer studienabschließenden Arbeit zu reflektieren, war der Anlaß und die Vorgabe für diese Arbeit.
Die dafür entwickelte Konzeption sollte folgende Punkte einbeziehen:

a) Die architektonische Situation des Klassenraumes 254 in der Akademie der bildenden Künste in München
b) Die Funktion als Maleratelier.
c) Die Dualität der Fotografie von Referenzialität und Autonomie.

Betritt man den Klassenraum 254, so steht man vor einer eingezogenen Wand, welche den Blick und den direkten Weg aus das Fenster des dahinterliegenden Raumes versperrt. Dieses 5 m hohe und 4 m breite Fenster ist in 20 Segmente unterteilt, welche den zu sehenden Park der Akademie quasi aufrastert. In de Blick auf die Natur erscheint diese so als segmentiertes Bild, durch das Fenster medial gebrochen. Das Fenster und die genau gegenüberliegende Eingangstür bilden die beiden Öffnungen des Raumes. Tür und Fenster verhalten sich nicht architektonisch sondern auch von ihrer Funktion her komplementär. Das Fenster läßt die Informationen des Objektes, der Natur herein, die Tür das Subjekt mit dessen Informationen.

Die Strukturfolge: Subjekt, Begriff, Bild, Objekt oder in umgekehrter Leserichtung Objekt, Bild, Begriff, Subjekt konkretisiert sich, auf den Raum 254 übertragen in eine räumliche Abfolge:
Objekt | Fenster = Brechungsachse | Bildraum / Wand = Brechungsachse | Begriffsraum | Tür = Brechungsachse | Subjekt.

Die künstlerische Umsetzung dieses Zusammenhangs sieht folgendes vor:
Das Klassenzimmer wird abgedunkelt, indem das Fenster mit schwarzem Stoff bespannt wird. In der Mitte des Fensters wird ein Loch frei gelassen, indem eine 70 cm x 94 cm große Aluminiumplatte mit einer 2 mm Öffnung eingesetzt wird. Nun wird an drei Positionen im Raum, in der Mitte der beiden Seitenwände und der , de Fenster gegenüberliegenden eingezogenen Wand, je drei 1 m breites und 2, 40 m langes Fotoleinen angebracht. Die neun Bahnen werden durch das 2 mm Loch von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang belichtet, an Ort und Stelle entwickelt, gestopppt, und fixiert. Die auf diese Weise entstandenen Negative des Akademiegartens werden auf Keilrahmen gespannt und exakt an die Stelle gehängt , wo sie belichtet wurden.
Desweiteren werden die Begriffe "Wille", "Strategie" und "Material" direkt auf 60 cm x 90 cm großes Fotoleinen kopiert, gleichfalls auf Keilrahmen gespannt und der Rückwand, der eingezogenen Wand, auf der Seite der Eingangstür angebracht. Neben der Eingangstür außerhalb des Klassenzimmers wird folgende Information mit Siebdruck an die Wand gedruckt: Michael Hofstetter, Dem Anschauer, 1990
Nachdem die Abdunklung des Fensters entfernt wurde, wird die Aluminiumplatte mit der 2 mm großen Öffnung erneut an der selben Stelle im Fenster befestigt.
Dadurch ergibt sich vom Objekt der Fotografie aus gesehen folgende Abfolge: Linse, Bildtafeln, Schrifttafeln, Titel - oder vom Betrachter aus gesehen: Titel, Schrifttafeln, Bildtafeln, Linse. Je nach Leserichtung handelt es sich bei Ersterem um eine abnehmende Referenz zu Objekt hin und beim Letzteren um eine zunehmende Rezeptiontätigkeit des Subjekts. Die Verschränkung von beiden Vorgängen ist für mich grundlegend für eine künstlerische Arbeit