Michael Hofstetter: vom hörensagen, 1994

 

Kunst-Bureau Freilassing
Ludwig-Zeller-Straße 1/1
83395 Freilassing



Pressetext



Austellungseröffnung: 11. März 1994
Dauer der Ausstellung: 11. März bis 15. April 1994

Michael Hofstetter, Jahrgang 1961, Absolvent der Münchener Akademie der Bildenden Künste, untersucht mit seinen künstlerischen Arbeiten immer den Ort, an dem er ausstellt. In diesen Reflexionen verdichtet er nochmals die, für gewöhnlich unbewußt bleibenden, architektonischen, sozialen und historischen Gegebenheiten des Ortes. Im Zentrum dieser Verdichtung steht immer die Frage, wie die Wirklichkeit des Ortes dem Menschen erscheint, und wie dieses Erscheinen wiederum die zugrunde liegende Wirklichkeit verändert. Dieser Perspektivenwechsel zwischen "Wirklichkeit" und "Verführung" wiederholt sich im Medium Fotografie,w eshalb dies die von Hofstetter bevorzugte bildnerische Form darstellt.

In der in Freilassing gezeigten Installation "vom hörensagen" tritt die Wirklichkeit des Ausstellungsraumes, des Kunst-Bureaus, zugunsten des Gerüchts über diesen Ort zurück. Obwohl nicht, wie sonst in den Arbeiten Hofstetters, als wirklichkeits-spiegelndes Medium die Fotografie eingesetzt wird, so handelt es sich bei der Arbeit "vom hörensagen" in einem konzeptionellen Sinne um eine Fotografie-Installation. Denn durch die Fotografie sehen wir die Welt nicht, wie sie ist, sondern erfahren nur noch Gerüchte über sie.

Eine Tatsache erscheint uns umso wirklicher, je vehementer das Gerücht über sie ist. Schuld daran ist unser fotografisches bzw. mediales Bewußtsein, das trotz der Beschränktheit seines Weltzugriffs nach allumfassender Information verlangt. Diese Diskrepanz zwischen Wollen und Können reizt Hofstetter in dieser Arbeit aus, indem er sich der geographischen Abgeschiedenheit Freilassings bedient. Freilassings Abgelegenheit von großen Zentren hat zur Folge, daß das Kunst-Bureau von keinem größerem Fachpublikum aufgesucht wird. An die Stelle des Augenscheins tritt das Gerücht jener, die den Ort besuchten, dort ausstellten oder über ihn berichteten. Das Geschehen im Kunst-Bureau wird zum Mythos und löst sich als solcher ab von der Geschichte des Ortes Freilassing. Die Installation stellt das Kunst-Bureau als einen Ort im Ort vor. Das Kunst-Bureau zeigt junge kon-zeptuelle Künstler aus den "Kunstzentren" und separiert sich damit von den sonstigen kulturellen Aktivitäten dieser Gegend. Das Bureau wird zu einem künstlichen Gebilde innerhalb Freilassings. Dieser Inselcharakter des Ortes, welcher eine Gefahr für jede Kunstinstitution darstellt, erscheint hier als Extrem. Er läßt die ausgestellte Kunst innerhalb der Provinzkultur als fragwürdig erscheinen. Daher bleiben als einziger Beweise des Kunstcharakters allein die Namen und der Ruf der Beteiligten.

Dieses Gerede von Kunst über Kunst als "Who's Who" wird durch die Installation "vom hörensagen" veranschaulicht. Diese zynische Realität der Kunst nimmt Hofstetter zum Ausgangspunkt seiner künstlerischen Überlegungen und faltet diese durch die ikonographischen Muster der klassischen Moderne (Schriftbild, Dreidimensionalisierung des Tafelbildes, Öffnung des Malgrundes, Proportionierung des Bildes im Verhältnis zur Wand etc.) zurück. Die drei Räume des Kunst-Bureaus werden um 25% verkleinert als Kuben nachgebaut. Die Kuben bestehen aus Holzrahmen, die mit durchsichtigem Schleiernessel bespannt sind. Auf den Schleiernessel die Namen derjenigen appliziert, die im Kunst-Bureau ausgestellt, kuratiert, eröffnet oder darüber in den Medien berichtet haben. In unter-schiedlichen Typographien - von klassischen Versalien bis hin zur Computerschrift -, die den "Persönlichkeiten" der Beteiligten nachempfunden wurden, werden die Namen zu Schriftbildern, die wie ein Logo funktionieren. Dem Betrachter verbleibt ein 70 cm breiter Gang zwischen den Kuben und den Wänden der Räume. Auf diese Weise bleibt er von der Sache ausgeschlossen, welche sich an seinem Blick erst konstituiert.

Zu der Ausstellung erscheint ein Katalog.

Dr. Shiva Lachen