Michael Hofstetter, Kino Kino, 1998 | |
Ilka Becker Michael Hofstetter, Kino Kino.
Michael Hofstetter bedient sich bei der Erstellung von "Kino Kino", wie auch schon in den Installationen "Oram Littoris Primi Lego" (1990) und "Die Wachheit des Traums" (1993), des alten Verfahrens der Camera Obscura, um den Straßenzug entlang des Broadway-Kinos durch ein im Fenster abgeklebtes Loch auf eine Wand des hinteren Galerieraums zu belichten. Der etwa fünf Stunden dauernde Vorgang resultierte in einem dezenten, spiegelverkehrt auf dem Kopf stehenden, perspektivisch verzerrten Bild eines Ausschnitts urbaner Architektur in hellen Grautönen, einer Projektion des Außen nach innen durch das Nadelöhr der Lochkamera. Die Fassade des Broadway-Kinos diente gleichermaßen als Kulisse, die Passanten ihrerseits als Statisten, die jedoch in ihrer Flüchtigkeit keine sichtbaren Spuren auf der lichtempfindlichen Schicht hinterlassen. Auf dieser und zwei weiteren Wänden installierte Hofstetter in dilettantischer Manier gemalte Aquarelle: skizzierte Statements zu Logos und Images aus der TV-Werbung oder solchen, die ihren Weg über die Kulturvermittlung dorthin gefunden habendas ORF1-Logo, der Dürer-Hase, oder gar ein Portrait Nan Goldins (das sich an dieser Stelle wie ein systemkritischer Seitenhieb in Richtung Kunstverwertungsindustrie liest) – Bilder aus dem Pool kollektiver visueller Wahrnehmung. Ein Video zeigt eine Computeranimation mit Texten zum Thema "Soll Kunst Spaß machen?". Aus dem Lautsprecher des Monitors klingt gleichzeitig die Stimme Hofstetters in altmodischem, an die Sprache von Erzählern in Literaturverfilmungen erinnerndem Stil: Er berichtet in der Innenperspektive einer erlebten Rede von einem Künstler, der U-Bahn fährt, der über den Blick einer Frau, über die Entstehungsmodi seiner Arbeiten reflektiert und darüber, daß er vom Fernsehen zu einem Interview über seine Ausstellung im Lenbachhaus eingeladen wurde. Mögliche Strategien der Selbstinszenierung im Medium Fernsehen werden durchgespielt und der als Selbstzitat ins Feld geführte Künstler wägt ab, was von ihm erwartet wird und mit welchen Zuschreibungen er sich präsentieren sollte. Für die Rauminstallation "Die Schwelle", 1997 im Münchner Lenbachhaus realisiert, hatte Hofstetter eine ebenfalls kontextualisierende Setzung vorgenommen, indem er Ankündigungsplakate für ein fiktives Symposium über Kunst und Mode drucken ließ, das angeblich vor der Ausstellung stattfinden sollte und für das "hochkarätige" Teilnehmer wie Vanessa Beecroft und Laura Mulvey angekündigt wurden. Die Bemühungen gehen offensichtlich dahin, Kategorisierungen im Kunstbetrieb zu hinterfragen, systemimmanente Kritik zu betreiben und die Rolle der Medien bei der Vermittlung kultureller Phänomene herauszugreifen. Zu diesem Zweck wählt Hofstetter die Methoden der Verschachtelung, Verschränkung und Zerstreuung, und nicht von ungefähr thematisiert er mehrfach den Blick: im Erzähltext des Videos, mittels der CameraObscura-Technik und dem zentraJen Sujet Kino. Die Objekte werden in Form von Bildern, Videos, Leuchtkästen und Schrift solchermaßen gestreut, daß sich die über zwei Räume konzipierte Schau einem vereinnahmenden Zugriff des blickenden Betrachters entzieht. Hofstetter geht das Wagnis ein, ein Begriffsfeld von Institutionskritik bis zu Kontextverschiebung auch auf textueller Ebene aufzutun: Er inszeniert eine Flut von sprachlichen und visuellen Zeichen um die Begriffspaare innen und außen, privat und öffentlich, Fiktion und Wirklichkeit, Bild und Abbild, als solle jeder Seitenpfad im einem Labyrinth von Referenzen zumindest irgendwie angegangen werden, um dem Anspruch auf Heterogenität genügen zu können. (Paradex 0/ Juni 1998) |
Michael Hofstetter, Oram Littoris Primi Lego, 1990 |
Michael Hofstetter, Die Wachheit des Traums, 1993 | |
Michael Hofstetter, Nan Goldin, 1998 | |
Michael Hofstetter, Die Schwelle, 1997, Plakat |