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Michael Hofstetter, Das Fortschreiben der Umstände
Katalog mit Arbeiten von 1990 bis 1995

Bernd Kronenberg: Ideologie und medialisierte Wirklichkeit.

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Ideologie, von der Lüge und den Gebilden der Manipulation strikt zu unterscheiden, impliziert durch all ihre geschichtlichen Konkretionen hindurch einen Wahrheitsanspruch im Hinblick auf eine gelingende Beziehung der Menschen zueinander und zur Natur. Ein Modell solcher Beziehung ist in ihr stets virulent. Was sie jedoch als Ideologie qualifiziert, das relevante Moment ihrer Unwahrheit, ist ihre Affirmation und Legitimation einer gesellschaftlichen Praxis, in der diese Beziehung konstitutiv mißlingt. Eine Legitimation oder Verdeckung von Herrschaft, die, selbst nur unreflektiertem und partikularem Interesse folgend, sich als allgemeines, wenn nicht sogar als Menschheitsinteresse behaupten muß.

Zur groben Rekonstruktion des Ideologiebegriffs bedarf es eines schlaglichtartigen Bezuges zur geschichtlichen Bewegung, in der sich die gegenwärtige Gestalt von Ideologie herausbildet. Historisch tritt Ideologie, deren begriffliche Genese eng gebunden ist an ihren Gegenpart, die Ideologiekritik, erstmals mit der Emanzipation der bürgerlichen Gesellschaft auf. Diese etabliert mit der für sie konstitutiven, abstrakt funktionalen Form ihres Verkehrs die Gestalt von neuzeitlicher Rationalität, welche die bis dahin dogmatisch geltenden religiösen Weltinterpretationen fundamentaler Kritik aussetzt und die sowohl in der instrumentellen Naturdeutung als auch in der Autonomie des theoretischen und praktischen Subjekts kulminiert. Natur wird zum Objekt eines Verfahrens, welches ihren Zusammenhang als rein funktionalen in der Form von Gesetzen erforscht und mathematisch beschreibt, und zwar mit dem Ziel, die so erkannte Determinierbarkeit der Natur dem manipulativen Eingriff in Naturabläufe zum Zwecke ihrer Beherrschung dienlich zu machen. Legitimiert scheint solches Verfahren gegenüber allem metaphysischen Dogmatismus durch seinen Erfolg. Natur soll ihre Macht über die Menschen mit dem Fortschritt der Wissenschaft verlieren, durch diese somit der Antagonismus im Verhältnis der Menschen zur Natur überwunden werden. Solche auf eine emanzipatorische Praxis ausgerichteten Erkenntnisprinzipien setzen zugleich das institutionalisierte religiöse Weltbild, durch das gesellschaftliche Macht sich zu legitimieren versucht, dauerndem Rationalitätsdruck aus. In jenem ist der Zusammenhang der Menschen zueinander und zur Natur noch interpretiert als ein ihnen gegenüber unaufhebbar heteronomer. Als naturalisierter und zugleich transzendent überhöhter ist der Herrschaftszusammenhang der Menschen als ewige Ordnung Gottes die ideelle Reduplizierung antagonistischer Realität, die anders nicht sein soll. Durch ihre Koppelung an gesellschaftliche, bekanntlich feudale Macht ist solcher Weltinterpretation die gesellschaftliche Wirksamkeit verbürgt. Diese wird jedoch durch die Expansion der bürgerlichen, warenproduzierenden Gesellschaft unterlaufen. Die in ihr zur Geltung kommende Interpretation von Welt, die ihrem eigenen Konstitutionsprinzip gehorcht, setzt an die Stelle der herrschaftlich sanktionierten Deutungen die rationale Legitimation sozialer Verhältnisse. Rationalität hat von nun an sich dem entgegenzustellen, was an bloßen, dem wissenschaftlichen Verfahren entgegengesetzten "Vorurteilen" die adäquate Erkenntnis der Dinge verhindert und somit den Menschen unter fremde Mächte bannt, sei es unter gesellschaftliche Macht, sei es unter die Macht der äußeren wie inneren Natur. "Idole", wie Bacon, früher Zeuge neuzeitlicher Rationalität, jene nennt, sollen von nun an der rationalen Kritik unterzogen werden, welche nur als wahr anerkennt, was als die der Realität genau entsprechende Denkbestimmung ausgewiesen ist.
Diese Kritik versteht sich als Ideologiekritik an geistigen Gebilden in der Weise, daß sie deren Unzulänglichkeit der Subjektivität der Erkennenden zuschreibt, die ihren eigenen Motivationen und weniger der objektiven Beschaffenheit der Dinge folgen. "Der menschliche Verstand ist kein reines Licht, sondern er erleidet einen Einfluß vom Willen und von den Gefühlen; dieses erzeugt jene Wissenschaft für das, was man will" (Novum Organon, Aphorismus 49). In dieser, der Entwicklungslinie des Empirismus und der modernen Naturwissenschaft voranstehenden Auffassung der menschlichen Erkenntnis bezieht das Subjekt durch eine der Möglichkeit nach getrübte Rezeption sich auf das an sich unverstellte, sich der vorurteilsfreien Beobachtung aber prinzipiell erschließende Objekt. Einem falschen Bewußtsein steht hier noch eine "richtige" Realität gegenüber. - Doch, wie bemerkt, nicht nur die Herausbildung eines entmythisierten, naturwissenschaftlichen Weltbildes leitet den Prozeß neuzeitlicher Rationalität ein, sondern ebenso die Entdeckung der Autonomie des Subjekts: auf theoretischer Ebene als autonomer Intellekt, auf der moralischen als Autonomie der sittlichen Person und auf der politischen in Form der Privatrechtsperson.
Kennzeichnend für den autonomen Intellekt als jener den Menschen gleichermaßen zukommende ist es, daß er in sich all die Kategorien vorfindet, durch welche die rezipierten Erscheinungen in einem Bewußtsein vereinigt werden und so die Erfahrung der einen Welt sich allererst bildet. Es ist die Einheit des Selbstbewußtseins, der sich selbst als identisch fassenden wie identifizierenden Instanz des "Ich denke", unter welcher die Mannigfaltigkeit der Erscheinungen subsumiert wird. Diese Apperzeptionsleistung des Subjekts verdankt sich elementarer Kategorien, zuoberst derjenigen der Identität, die aus den rezipierten Erscheinungen der Natur sich nicht gewinnen lassen, da sie deren selbst nicht erscheinungsmanifesten Zusammenhang betreffen. Dieser so begründeten Priorität des Subjekts gegenüber seinem Anderen entspricht die Herrschaft über innere wie äußere Natur, die im wissenschaftlichen Kalkül mit dem auf sie entlassenen determinierten Funktionszusammenhang identifiziert wird. Zugleich behauptet sich das Subjekt rationaler Naturauffassung, dem die Genese seiner Kategorien, welche sich notwendigerweise hinter seinem Rücken vollzieht, nicht zum Gegenstand der Reflexion geworden ist, seinerseits als nicht gesellschaftlich und historisch bedingtes und sein Vermögen hinsichtlich instrumenteller Naturerkenntnis als zeitlich ungebundene, fundamentale Eigenschaft der ideellen Beziehung der Menschen zur Natur. Das Interesse an der Naturbeherrschung scheint somit als allgemeines in der quasi natürlichen Disposition der Subjekte zu gründen. Auf diese Weise verabsolutiert sich jedoch ein Weltbezug, der als reiner, instrumenteller Objektbezug Mensch und Natur unter die abstrakten Kategorien rationaler Erkenntnis subsumiert.
Die Ideen der Freiheit und Gerechtigkeit sind die Konsequenz aus der Erkenntnis, daß Herrschaft über Menschen, in welchem Weltbild diese immer auch legitimiert zu sein scheint, sich nicht als allgemeines Gattungsinteresse ausweisen läßt. Und sie sind die notwendige Konsequenz aus der Entdeckung der Autonomie der Subjekte: da ihnen unabhängig voneinander gleichermaßen das Vermögen rationaler Erkenntnis eigen ist, bedürfen sie nicht nur keiner ihnen gegenüber heteronomen Instanz mehr, welche ihnen einen gesellschaftlichen Zusammenhang direkter Herrschaftsverhältnisse mit entsprechender Weltinterpretation aufnötigt, sondern diese muß sich vielmehr vor der einen, aber in einem jeden Subjekt sich autonom aktualisierenden Rationalität rechtfertigen. Zugleich stehen diese Ideen menschlicher Emanzipation im gesellschaftlichen Kontext der Überwindung feudaler Machtverhältnisse, welche nicht nur Freiheit und Gerechtigkeit unterdrücken, sondern dem Sieg der heraufkommenden Warentauschgesellschaft entgegenstehen, die für ihr Funktionieren der Errichtung normativer Strukturen bedarf, welche die Bildung des Privateigentums und die Ausweitung des Warentausches gewährleisten. Letztere hat zur Voraussetzung die wechselseitige Anerkennung der Subjekte als Tauschsubjekte, was bedeutet, daß die Anerkennung ihres Besitzes sowie die jederzeit mögliche Veräußerung seiner durch den Austausch mit anderem Besitz garantiert werden muß. Auf diese Weise werden die Produkte gesellschaftlicher Arbeit nicht mehr tributär von einem bestimmten Teil der Gesellschaft angeeignet. Und damit ist, im Zeichen von Freiheit und Gerechtigkeit sowie im Zeichen einer beherrschten und für alle nutzbar gemachten Natur, eine prinzipiell andere Form der Vergesellschaftung als diejenige direkter Herrschaft gegeben, wird - neben dem rationalisierten Verhältnis zur Natur - ein anderer, nämlich rein funktionaler Zusammenhang der Menschen zueinander als gelingender behauptet.
Indem jedes Subjekt der Warentauschgesellschaft frei sein eigenes Interesse verfolgt, durch Warenproduktion zum Zweck des gerechten Äquivalententausches der Arbeitsprodukte gesellschaftlichen Reichtum sich anzueignen, wird – so will es die politische Ökonomie dieser Gesellschaft – dem Interesse aller gedient, der Wohlstand der Nation zwangsläufig erzeugt und vergrößert. Dem Nachweis des strukturellen Konfliktes in dieser Form der Vergesellschaftung über den Warentausch, bei welcher die materielle Produktion der Lebensbedingungen unter den ihr gegenüber äußerlichen Bedingungen der Zirkulation der Produkte und ihres Wertes gebracht und damit bereits das Nichtgelingen des Zusammenhanges der Menschen zueinander und zur Natur angezeigt ist, wollte die marxsche Gesellschaftsanalyse dienen. Dabei war die Rekonstruktion der Versachlichung des Herrschaftsverhältnisses zwischen den Menschen in Form der privilegierten Aneignung des gesellschaftlichen Reichtums auf der Basis des Mechanismus des Warentausches zentral von Anbeginn. Sie weist einen relevanten Aspekt auf in bezug zur Entwicklung des Ideologiebegriffs und der Ideologiekritik: nicht mehr nämlich besteht Ideologie darin, daß ein Subjekt durch seine den Objektbezug verzerrenden Motivationen an sich unverhüllte, nach empirisch wissenschaftlicher Methode, die solche Motivationen zu überwinden versucht, erfaßbare Gegenstände inadäquat abbildet. Solche, bereits noch lange nach Bacon besonders beliebte populäre Auffassung von Ideologie, nach welcher Ideologie lediglich darin besteht, bewußt ein materielles Interesse zu verschleiern, ist nicht allzuweit entfernt von dem sich selbst konterkarierenden Erkenntnisrelativismus wissenssoziologischen Zuschnitts. Demgegenüber ist Ideologie nicht einfach Ausdruck und Resultat subjektiver Unzulänglichkeit oder gesellschaftliche Standortgebundenheit, sondern die Konsequenz objektiven Scheins, den kein noch so geschärfter Blick auf das empirische Faktum zu durchdringen vermag. Das Bewußtsein, das sich auf die Erscheinungen richtet, wird zu einem notwendig falschen, sowie es diese nur abbildet; denn sie stehen im Widerspruch zu ihrem Wesen, welches nur durch die Rekonstruktion der Entstehung des Erscheinenden dem Bewußtsein sich erschließt.
Der objektive Schein aber wird mit dem abstrakten Prinzip der Vergesellschaftung für alle ihre Subjekte erzeugt - ja sie selbst erzeugen ihn fortwährend, ohne daß er aus einem gesellschaftlichen Herrschaftsinteresse manipulativ erzeugt werden müßte. Frei scheinen von nun an die Subjekte, indem sie nur noch der Logik der Sache folgen, die sie als eine ihres gesellschaftlichen, der Möglichkeit nach freien Handelns nicht mehr erkennen. Er besteht genuin darin, daß ihre gesellschaftliche Beziehung ihnen in der Form einer funktionalen Beziehung zwischen Objekten manifest wird. Denn indem durch den Tausch die Einzelaktivitäten der Subjekte nicht unmittelbar aufeinander bezogen werden, sondern nur vermittelt über ihre dinglichen Resultate, die, von den Subjekten getrennt, der Logik des Tausches unterworfen sind, vergesellschaften sich die Menschen in der Form des abstrakten funktionalen Zusammenhanges von Dingen. Damit aber ist der gesellschaftlichen Praxis selbst das Äquivalent funktionalen, Welt nur im Modus von Dinglichkeit reflektierenden Denkens immanent, dessen Funktionalität neuzeitliche Naturwissenschaft aus der Natur herauszuklauben unternimmt, in der jedoch nur konkret Materielles in seinen allein zeitlichen Folgeverhältnissen sich zeigt, nirgends aber, was nicht erst Hume wußte, etwa die Kategorie strikter Kausalität. Doch gerade hierin besteht die Crux der Ideologie moderner Gesellschaften: Da die abstrakten Kategorien wissenschaftlicher Erklärung der Natur, die als äußere den Menschen als von ihnen unabhängige, selbstentsprungene gegenübertritt, der abstrakten Form ihrer Vergesellschaftung immanent sind, muß ihre Zwangsläufigkeit als eine mit derjenigen der Natur identische erscheinen; denn tatsächlich sind Gesetze gesellschaftlicher Praxis von Gesetzen der Natur nicht zu unterscheiden, somit aber wird die gesellschaftliche Praxis selbst wie Natur reflektiert und schließlich wie diese zum Objekt instrumenteller Aneignung - eliminiert scheint die Denkmöglichkeit, die Logik gesellschaftlicher Praxis auf die ihrer eigenen Handlungen entfremdeten, unfreien Subjekte zurückzuführen. Dieser immanente, erkenntnistheoretische Zusammenhang zwischen den Kategorien der Naturbeherrschung und denen der unfreien Vergesellschaftung der Menschen ist allerdings in derjenigen Theorie, welche als erste die Logik versachlichter Herrschaftsverhältnisse rekonstruiert hat, nicht einmal gestreift. In ihr ist noch die Vorstellung gegenwärtig, wachsende Naturbeherrschung befinde sich per se im Einklang mit dem Telos emanzipatorischer Praxis, welche durch die technisch ermöglichte Minimalisierung der die Reproduktion menschlicher Lebensbedingungen leistenden Arbeit den Sprung vom Reich der Notwendigkeit in das der Freiheit für alle Menschen ermöglichen soll.
Das Denken moderner, mathematischer Naturwissenschaft, das die Erscheinungen gemäß autonomem Verstandesvermögen und also kraft abstrakter Kategorien in der Einheit des Selbstbewußtseins synthetisiert, hat sein unumgängliches herrschaftliches Moment nicht allein in seinem expliziten Interesse, Natur zu beherrschen: vielmehr ist jenem Herrschaft bereits latent eingeschrieben in seinen Denkformen selbst, die an einem Objektiven sich bilden, das in realabstrakter Weise so determiniert ist, wie es den abstrakten Kategorien entspricht, und das als der gesellschaftliche Funktionszusammenhang zugleich Herrschaftszusammenhang ist. Die so konstituierte Rationalität schlägt aber zurück auf den gesellschaftlichen Zusammenhang selbst. Dieser wird nun seinerseits zum Objekt von Herrschaft, zum Objekt sozialtechnologischer Bemächtigung, welche nach Maßgabe von Rationalität die ihm immanenten strukturellen Antagonismen zu beseitigen versucht, ohne ihren Grund in einer entfremdeten Praxis anzutasten. Das Subjekt technokratischer Herrschaft vom Stammbaum bürgerlichen Emanzipationsprozesses wird alsbald zum Protagonisten eines technisch geplanten Zusammenhanges der Menschen zueinander und zur Natur.
In dem Maße, wie die Möglichkeit einer Vergesellschaftung der Subjekte als freie aus dem Horizont ihrer Welterfahrung verschwindet, betreiben sie ihre Angleichung an die bestehende Realität, indem sie die Erfahrung ihrer Fremdheit auszulöschen beginnen. Dies droht um so mehr zu gelingen, als sie im gesellschaftlichen Realitätszusammenhang die Vergegenständlichung ihrer eigenen Rationalität erblicken, von deren Herkunft sie nichts ahnen und die als instrumentelle von ihnen scheinbar frei verwirklicht wird, sie als freie Handlungssubjekte jedoch immer schon negiert hat. Mit dem Schein von Freiheit, mit welchem sie ihre technischen Apparaturen mit dem Wunsch unbeschränkter Manipulation bedienen, deren Reagenz sie jedoch zunehmend werden, beziehen sie sich auf eine Praxis, deren technische Direktiven sie sich in distanzloser Weise zu eigen machen und die somit ihren heteronomen Charakter verlieren. Der Anspruch eines gelingenden Zusammenhangs der Menschen zueinander und zur Natur scheint sich erfolgreich zu behaupten in einem quasi selbst apparativen Realitätszusammenhang, nach dessen Gesetzen alle seine Elemente "frei" miteinander kommunizieren, in welchem die Menschen jedoch aufhören, Subjekte zu sein, je gleichberechtigt mit allen anderen. Gesellschaft als kybernetisches Modell ist die Konsequenz des Versuches einer negativen Aufhebung der Entfremdung. Das Auslöschen der Fremdheit ist längst zur übergreifenden Tendenz gesellschaftlicher Praxis geworden. Facettenartig scheint sie zunehmend deutlicher auf in den Produkten, welche der Abbildung der Realität dienen sollen.

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Für gewöhnlich wird Ideologie in bezug auf Medien in den durch diese transportierten Inhalten, den interessierten Realitätsinterpretationen und den diversen Stereotypen lokalisiert. Bezüglich der Sprache etwa in Form politischer Konnotationen von Wörtern und Aussagen meist repressiver oder verschleiernder Couleur, wenn nicht sogar in direkter Verkehrung des Wortgebrauchs. Bezüglich visueller Medien etwa in Form des zensierten Realitätsausschnittes, in der kalkulierten Perspektive wie überhaupt in der bestimmte Affekte ansprechenden Inszenierung einer imaginären Welt. Wenngleich entsprechende Analysen die Phänomene an sich adäquat beschreiben mögen, so beschränken sie sich auf den enthüllbaren manipulativen Gebrauch sprachlicher und visueller Mittel. Dagegen hätte eine ideologiekritische Betrachtung weiterzugehen und das Problematische medialer Mittel als solcher zu thematisieren, statt sich an der ohnehin schlagenden Transparenz der Absichten massenmedialer Inszenierungen aufzuhalten.
Keine Analyse wird den Phänomenen medialer Wirklichkeit gerecht, welche nicht auf die ihnen vorgeordnete und sie bis in ihre Konkretion hinein bestimmende, gesellschaftliche Totalität reflektiert, deren scheinhafte Gegenwart qua realitätsgetreuer und allgegenwärtiger Abbildung bei gleichzeitiger, notwendiger Verdeckung zu erzeugen der ideologische Kern dieser Phänomene ist. Zieht man jene Totalität in Betracht, so zeigt sich, daß der ganze totalisierende Prozeß abstrakter Vergesellschaftung, dessen Komplexität längst sich in ein reflexiv nicht mehr einholbares Maß potenziert, begleitet ist von der Herstellung einer medialen Unmittelbarkeit, durch welche die Menschen des Verlustes ihres Subjektstatus in bezug auf gesellschaftliche Praxis nicht mehr inne werden. Der ihnen entfremdete Realitätszusammenhang, unter dessen Bann sie täglich ihr Leben reproduzieren müssen, verliert seine Fremdheit in der Unmittelbarkeit der Bilder, die Realität allumfassend und präzise zu repräsentieren versprechen. Unmittelbarkeit war bereits die Ideologie, die den funktionalen Zusammenhang von Dingen, dessen soziale Genese nicht mehr erkennbar ist, als naturhaften reflektiert und ihn so in seiner Faktizität bestätigt. Solcher Unmittelbarkeit der Empirie, die mit der medialen Abbildung der Realität objektiv fingiert und verhärtet wird, unterwirft sich das Alltagsdenken nicht weniger als jenes wissenschaftliche, rationelle, das die gesamte Realität, Natur wie Gesellschaft, aufgehen läßt in einen instrumentellen Objektbezug. Zum Positivismus des die Wirklichkeit in Daten übersetzenden Denkens fügt sich der Positivismus der Bilder. Mit ihnen ist Realität den Bedürfnissen solchen Denkens entsprechend präpariert.
Von Anbeginn waren die technischen Anstrengungen zur medialen Abbildung der Realität mehr als nur ein ästhetisches Unterfangen. Die mit der Entwicklung der Fotografie begonnene und ständig perfektionierte technische Kopie von Elementen der Wirklichkeit verdankt sich naturbeherrschendem Denken nicht nur hinsichtlich ihres Verfahrens. In bezug auf dieses jedoch ist - anthropologisch gesehen - die entsprechende Technik zunächst nicht mehr als die apparative Vergegenständlichung des instrumentellen Gebrauchs, welchen die Menschen von ihren physischen Eigenschaften machen. Wie schließlich die Fortbewegungsmittel das physische Sichfortbewegen der Menschen substituiert, so die medial kopierte Realität - auf vermittelte Weise - die Rezeption der Realität, denn in dem fotografierten oder gefilmten Realitätsausschnitt determiniert für das Subjekt das Objektiv die Stellung zur materiellen Realität wie auch die Rezeptionsbewegung auf sie hin. Da dieser technische Vorgang in der Abbildung selbst nicht gegenständlich werden kann, sondern in ihre konkret objektive Bestimmtheit als solche eingegangen ist, der Betrachter also immer nur auf das Bild sich beziehen kann, nicht auf dessen Erzeugung, bekommt dieses in bezug auf die materielle Realität den Schein, sie unmittelbar darzustellen. Das Objektiv, durch welches der einzelne auf die materielle Realität sich bezieht, fällt zusammen mit dem eigenen Blick; dessen Bewegung konstituiert den Rezeptionszusammenhang, den der Betrachter als seinen eigenen vollzieht, und bietet diesem einen Apperzeptionszusammenhang an, welcher von ihm scheinbar frei erstellt wird. Innen und Außen fallen ineinander. Das Außen ist jedoch nicht die Realität, welche in der eigenen, realen Handlung erschlossen und als Widerständliche erfahren wird, sondern wie sie als vorerschlossene und in dieser Erschlossenheit als visuell beherrschte präsent ist. Ist die Apparatur die Erweiterung und Verlängerung menschlicher Rezeption, so wird umgekehrt diese, indem jene sich aufgrund der Anonymität und Auswechselbarkeit des sich ihrer bedienenden Subjekts den Schein der Selbständigkeit gibt, zum Appendix der Apparatur. Zugleich wird durch die mediale Abbildung von Realität dasjenige menschliche Vermögen substituiert, welches für den aktiven Nachvollzug von Realitätszusammenhängen und vor allem der erinnernden wie auch transzendierenden Einstellung der Realität gegenüber unumgänglich ist: die Einbildungskraft. Unmittelbarkeit und Entlastung von subjektiver Spontaneität adaptieren das Bewußtsein an die dingliche Realität, als welche den Subjekten der entfremdete Zusammenhang ihrer erscheint. Sie vollziehen in dem Maße, wie sie sich ihre gesellschaftliche Realität nur medial aneignen, die Verdinglichung ihrer selbst, die aufs engste korrespondiert mit der objektiven ihres gesellschaftlichen Zusammenhanges. So sind sie bestens eingestellt auf den in den Massenmedien vorwaltenden Schein totaler Präsenz und Überblickbarkeit von Welt, welche ihren fundamentalen Zusammenhang den Menschen nicht mehr zu erkennen gibt - sofern sie nicht in ihrer Handlungsrealität auf seine disfunktionalen Folgen stoßen. Ideologie heute ist die auf der Basis verdinglichter Subjektivität verhärtete Realität, wie sie in ihrer massenmedial zugerichteten Verdoppelung mit dem Schein der Verfügbarkeit in die Realität der Subjekte als deren eigene kopiert wird. Sinn von Welt ist es, so zu sein, wie sie die Menschen vorfinden, weil sie als eine, die anders sein könnte, den Subjekten sich nicht mehr erschließt.
Nicht nur in der Apparatur als solcher steckt der herrschaftliche Geist, sondern ebenso in den Intentionen, die ihrem Gebrauch überhaupt zugrundeliegen. Sie gehen auf Fixierung, Zurechtschneidung und Verfügbarkeit von Realität. Am sinnfälligsten wird dies, wo Herrschaft sich bricht an der Realität vor ihrer Abbildung. Der abfotografierte Sonnenuntergang verrät das hilflose Verlangen, den Augenblick selbst noch zu bannen, in welchem Natur mehr als bloßes Objekt von Herrschaft zu sein scheint. Die den Augenblick menschlicher Verzweiflung, die in schmerzverzerrten Gesichtern sich spiegelt, erhaschen wollende Kamera, die den Leidenden die Aufmerksamkeit gewährt, die als Sendezeit mit dem erträglichen Reklamespot konkurriert, will den spontanen Ausdruck des Unbeherrschten im wiederholbaren Bild sich verschleißen lassen.
Die medialen Produkte wie Film und Fotografie sind innerhalb des ihnen in seiner Totalität vorausliegenden gesellschaftlichen Zusammenhangs je schon dazu bestimmt, Ware und somit Objekt konsumtiver Aneignung zu sein. Eine Bestimmung, die ihnen nicht äußerlich bleibt, sondern in das Innere ihrer Beschaffenheit eingeht. Ihr Warencharakter tritt am deutlichsten dort zutage, wo sie das Versprechen signalisieren, Bilder eines wenn auch nicht immer glückserfüllten, so doch zumindest nicht mehr langweiligen Lebens zu sein, ohne doch die Verfassung gesellschaftlicher Realität, in deren Dienst sie notwendigerweise vorab als Ware stehen, zu tangieren: Sie stellen dar, was der Fall ist, von dem sie allerdings den Grauschleier entfernen, um überhaupt ein profitables Produkt für das Bedürfnis kollektiver Aneignung werden zu können. So werden sie mit bestem wissenschaftlichen Know-how auf anthropologische Dispositionen hin zugeschnitten, um die Menschen an diese Ware selbst zu fesseln. Dem, was von der Psychoanalyse als latenter Trauminhalt entdeckt wurde, verhalten sich nicht selten die produzierten Bilder in ihrer vordergründigen Bestimmtheit gegenüber wie der manifeste. Die Differenz von Latentem und Manifestem indiziert aber zugleich die Zensur, welche die Aufrechterhaltung der Umstände erfordert, in bezug auf die reale Erfüllung des Begehrens. So repräsentieren sie Realität und adaptieren diese zugleich an die gefesselte innere Natur der Subjekte, deren authentische Artikulation ihnen ihr instrumenteller Weltbezug verwehrt.
Noch in den unscheinbarsten Präsentationen sind die entsprechenden Mechanismen aufzuspüren. Die Damen und Herren, die allabendlich unter anderem über das Grauen und die Katastrophen der Welt informieren, verkörpern mit ihrem Äußeren den breitesten Nenner kollektiven Sympathieempfindens. Nach scheinbar undurchbrechbarer Konvention muß ihre faltenlose Physis, deren Anblick die Aufnahmen der zur Stunde noch andauernden Bergungsarbeiten abschneidet und rückwirkend mildert, den Eindruck unbefleckbarer Gegenwart evozieren. Und was dennoch an Entstelltem und Verletztem aus allernächster Näher real sich zu präsentieren scheint, ist zugleich von der Realität des Betrachters hermetisch ausgeschlossen und somit als Gefahr nicht nur gebannt, sondern auch genießbar. Jeden Tag könnten zwar die Objektive plötzlich auf das eigene Schicksal gerichtet sein, doch ist dieser Preis bezahlbar angesichts der Fülle, mit der das Katastrophenbedürfnis in einer Realität unter dem Bann einer zum Selbstzweck gewordenen Warengesellschaft und damit einer Alltagsrealität der ewigen Wiederkehr des Gleichen bedient wird. Längst bedürfen die Bilderproduktionen keines gesellschaftlichen Auftrages mehr, ihr Schema bereits garantiert die Verhaftung des Bewußtseins an herrschende Realität, und das um so mehr dort, wo sie Illusionswelten inszenieren, um die Regressionsbereitschaft eines vor der Wirklichkeit kapitulierenden Bewußtseins sich zunutze zu machen.
Weil die medialen Präsentationen als Ware je einzeln ein kalkuliertes, nur immer sich selbst in Konkurrenz zu allen anderen anbietendes Produkt sind, von denen es äußerlich sich unterscheiden und als neues, besonderes behaupten muß, und vor diesem Hintergrund ihre eigentliche Bezugslosigkeit zueinander immer schon voraussetzen, fragmentieren und partikularisieren sie in ihrer Gesamtheit die über sie vermittelte Erfahrung von Realität und bestätigen damit den Schein der manifesten, in einer bloßen Summe von Einzelheiten und Perspektivmöglichkeiten zu bestehen, der nur noch durch künstliche Intelligenz als materialisierter Sammlergeist beizukommen wäre, nicht aber durch eine Reflexion auf den basalen Totalitätszusammenhang von Gesellschaft, vor dem alles einzelne in seiner scheinbaren Unmittelbarkeit als von ihm bereits determiniertes sich erweist. Die Fragmentierung der Wirklichkeit, wie sie von der Gesamtheit ihrer medialen Repräsentationen vollführt wird, verurteilt selbst solche Anstrengungen zur Ohnmacht, die Realität kritisch dokumentieren, verdecktes Leid enthüllen wollen. Ihre Leistungen finden sich schließlich bezugslos wieder innerhalb einer Programmgestaltung, die dem Bericht über Obdachlosigkeit die zahlreichen Streifen über die Eheprobleme in den großen Clans folgen läßt, die mehr einbringen, weil sie weniger kosten, und das Bewußtsein zurück und hinauf in die Etagen versetzt, von denen aus das Ganze nun wieder von einer anderen, gewohnteren Perspektive gesehen werden kann. Ohne die ins Medium der Öffentlichkeit hineingetragene, sich von dem Zwang zur Bildlichkeit selbst noch emanzipierende, gedankliche Thematisierung des Ganzen büßen die kritischen Anstrengungen ihre emanzipatorische Kraft ein und müssen den Weg aller Bilder gehen.
Einzig indem Unmittelbarkeit nochmals gebrochen, Fragmentierung erkennbar gemacht und der Schein der Selbständigkeit eingestanden wird und schließlich alles Versprechen sich selbst verneint, widerstehen die medialen Produkte der Ideologie, welche die Subjekte für eine Realität konditionieren, in der sie für die Dinge existieren, statt - wie es durch die Camera obscura der Ideologie erscheint - die Dinge für die Menschen. Dem Zwang der Subjekte, alles Reale innerhalb ihres instrumentellen Weltbezuges zu identifizieren, entgehen auch solche Produkte nicht, selbst wenn sie gegenüber diesem sich resistent zu machen versuchen. Entfremdung bedarf aber weiterhin des Gegengiftes Fremdheit.
Jedoch: nicht nur die das Bewußtsein präformierenden medialen Produkte weben mit an dem ideologischen Schein gelingenden Natur- und Gesellschaftsverhältnisses. Die ihnen zugrundeliegende Technik verspricht einen selbst medialisierten Realitätszusammenhang. Sie geht zu auf eine medialisierte Interaktion, die als Medium wechselseitiger Steuerung sich etabliert und als realitätswirksame sich die materielle Handlungsrealität der Subjekte unterwirft. Diese sind frei als Subjekte in bezug auf ihre Kompetenz dieser apparativen Interaktion gegenüber. Doch verewigt sich in solcher Freiheit der Zwang ihres funktionalen Zusammenhanges.