Michael Hofstetter: DAS VERSPRECHEN, 1993

 

 

Galerie Otto Schweins
Wormserstraße 23
5000 Köln 1

 

Pressetext

 



Eine Fotografieinstallation von Michael Hofstetter
Austellungseröffnung: 7. Mai 1993
Dauer der Ausstellung: 7. Mai bis 5.Juni 1993

Die Galerie von Otto Schweins ist ein containerartiger Raum im Hinterhof der Wormser Straße 23 in Köln. Die ungewöhnliche Höhe des Galerieraumes und eine eingezogene Sprossenglaswand, sind die einzigen Ab-weichungen von einem Wohncontainer, wie man ihn für Notunterkünfte benutzt.

Die Fotografieinstallation "Das Versprechen" von Michael Hofstetter zieht sich durch die ganze Galerie. Der Besucher liest über dem Eingang der Galerie einen in die Fenster auskopierten Schriftzug, welcher zugleich auch Titel der Arbeit ist. Nach dem Betreten der Galerie steht er nach ca 1,50 m vor einer durchsichtigen Sprossenglaswand durch die hindurch er normalerweise den eigentlichen Galerieraum erst betritt. In diese Sprossenglaswand ist ein Großdia einmontiert, daß ein koloriertes Zeitungsfoto von Asyl-bewerbern in einem Wohncontainer zeigt. Der Illusionsraum des Dia-Bildes verschränkt sich mit dem da-hinterliegenden Raum der Galerie, der nicht betreten werden kann und nur als Leuchtkasten für das Groß-dia fungiert. Dieser Raum, in welchem Neonsäulen die vertikalen Kanten nachzeichnen, kann nur durchs Bild selbst oder vom Seitenfenster der Galerie eingesehen werden.

Indem "Das Versprechen" ein Zeitungsfoto von Asylbewerbern in Deutschland mit der Architektur der Galerie verzahnt und die Galerie als möglichen Wohnort für Asylbewerber vorstellt, reflektiert Hofstetter nicht nur die symbolische "als ob" Funktion jeden Bildes, sondern adressiert bewußt den aktuellen Kunstdiskurs der "political correctness". Auf diese Weise erscheint der Wirklichkeitsersatzcharakter des Bildes buchstäblich.

Das dem Bild inhärente Versprechen auf eine bessere Welt wird konterkariert durch die reale Bestimmung der Galerie, als Verkaufsort von Bildern. Das Bild der Asylbewerber will nicht unmittelbar über Betrof­fenheit zu politischem Handeln animieren, sondern dekonstruiert als Beispiel für aufklärenden Zeitungs­journalismus die Funktion des Bildes und ihre Stellung zur Wirklichkeit in den Medien überhaupt. Poli­tisch engagierte Bilder bleiben immer Wunschbilder eines hilflosen Subjektes, das sich über die Strategie der Empörung selbstvergewissert. Sie sind Zeugnis einer nicht durchschaubaren und überblickbaren Wirklichkeit, also Dokument der Partikularität und der Isoliertheit. Diese Tatsache thematisiert sich in der Aufteilung des Großfotos an der Sprossenglaswand in der Galerie.

In diesem Zusammenhang gilt der Satz: je partikularer das Bild, um so wahrer ist es. Meßbare Partiku-larität als Tauschgröße wird zur Wirklichkeit zweiten Grades. Insofern ist der Geldschein die Trans-figuration jeden Bildes. Die Segmente der Großfotografie können einzeln käuflich erworben werden. Nach ihrem Verkauf werden diese durch Bilder eines Tausendmarkscheins ersetzt. Dies ist nicht zynischer Kommentar über die politische Realität in unserem Land, sondern konsequente Dekonstruktion der Funktion des Kunstbildes innerhalb der Galerie. Es ist die Zerstörung des symbolischen und ideelen "als ob" Charakters des Bildes und die Zerstörung der künstlerischen Option durch die Tatsächlichkeit des Tausches. Das empörte Subjekt überlebt nur noch in der Wirklichkeit des Tausches. Von der Möglichkeit des Tauschens als einzige Wirklichkeit des Subjekts hängt die Antwort auf die Frage ab, ob wir "Fremde" bei uns leben lassen wollen oder nicht. Hierüber vermittelt sich erst in zweiter Instanz ein politischer Gehalt. Dieser ist nicht außerkünstlerisch, sondern selbst an die Bedingungen der Kunst gebunden. Auf diese Weise wird der Verheißungscharakter des Bildes als Versprechen einer gesellschaftlichen Utopie zum Versprechen: "Ich bin tauschbar" und damit zum Ver - sprecher, zum Stolperstein, über den sich die werkkonstitutiven Merkmale der Arbeit wie Realraum und Vorstellungsraum, Kunstbild und Tauschbild, Wirklichkeitsreferenz und Wirklichkeitsrezeption, Ganzes und Teil, Autonomie und Finalität dekodieren und analysieren.

Dr. Shiva Lachen