Michael Hofstetter: Idyll, 1999
Permanente ortsspezifische Installation

 


Konzept

 

Hochschule für angewandte Wissenschaften Aschaffenburg
Würzburger Str. 45
63743 Aschaffenburg




Der Ballsaal im Kasino (heute: Gebäude 22 der Hochschule für angewandte Wissenschaften Aschaffenburg) der ehemaligen Kaserne des 2. Bayerischen Jägerbataillons in Aschaffenburg ist mit Wandmalereien geschmückt, die an Rokokodarstellungen des 18. Jahrhunderts erinnern. Diese am Ende des 19. Jahrhunderts gemalten 'galanten' Szenen kontrastieren in Inhalt und Malweise der Intention und Aufgabe einer Kaserne. Als Darstellung spielerischer und tändelnder Lebensweise inmitten von Natur sind sie ein utopisches Moment, das militärischer Disziplin und Gewaltbereitschaft entgegensteht.

Für die Doppelskulptur "Idyll" wurden von einem Bild dieser Wandmalerei zwei Figuren mittels Computer isoliert (ein Mann, der eine Frau zum Tanz auffordert), überlebensgroß vergrößert, in Edelstahl ausgeschnitten und in die nun begrünte Fläche des ehemaligen Kasernenhofes gestellt. Die Umrißformen zeigen auf einer Seite eine Reproduktion der gemalten Figuren, die im Siebdruckverfahren in einem groben Raster aufgedruckt wird. Die Rückseiten der Edelstahlformen bleiben unbedruckt und werden auf Spiegelglanz hochpoliert. Im Außenbereich – in derselben Anordnung wie im referenten Wandbild – spiegeln sich die 'Frau' im 'Mann' und die Umgebung des Kasernen­hofes in der 'Frau'.

Diese Verschiebung von Innen nach Außen, von Bild zu Objekt reflektiert die Verkehrung sich widersprechender Elemente bei gleichzeitiger Beibehaltung des Widerspruchs: steht am Ende des 19. Jahrhunderts eine intakte Natur einer militarisierten Gesellschaft gegenüber, so heute eine zivile Gesellschaft einer zerstörten Natur. Der anstelle des Kasernenhofes angelegte Park kann als künstliches Korrektiv 'Natur' nur zitieren. Die im Park aufgestellten Figuren verweisen in ihrer historischen Künstlichkeit auf die Künstlichkeit dieses Innenhofes. Sie stellen als Ensemble den Schein einer Idylle her und befragen diese gleichzeitig.

Dr. Shiva Lachen