Galerie Ruwitt///Weiss,
Ackerstraße 125
40233 Düsseldorf
"Spring", ein reaktives Environment mit Michael Hofstetter und Sabine Boehl
Eröffnung: 4. September 2004, 19. h
Ausstellungsdauer: 4. September bis 15. Oktober 2004
Konzept
Michael Hofstetter: BABA 2004
In Hofstetters Werk BABA bildet das in der Schrifttype Gill bold condensed 6810 Punkt groß gesetzte ABER in viermaliger Wiederholung die Seitenwände einer Kiste. Innen vergoldet, schachelt sich diese Kiste in den white cube der Galerie Ruwitt///Weiss.
Der white cube ist mehr als ein weißer Raum – er ist der Raum der Moderne schlechthin. Er verkörpert die Ausgesetztheit im Raum-Zeit-Kontinuum, ist gefrorenes Jetzt und Hier, Materialisierung des zeitlosen, utopischen Orts, der weder auf ein wie auch immer geartetes Außen noch auf ein wie auch immer sich situierendes Davor oder Danach verweist. Der white cube, diese Konstruktion eines Erhabenen außerhalb von Religion und Natur, ist im späten zwanzigsten Jahrhundert zur Ladendekoration exklusiver Labels wie Versace, Prada und Gucci verkommen – ein geeigneter Umschlagsort für Luxusgüter, nicht mehr. Der Kunst aber dient er weiterhin als konventionelle Darbietungsform ihrer Werke, auch wenn diese die von ihm implizierte utopische und autonome Struktur verloren haben.
Die goldene ABER-Kiste vertritt als Attrappe die in den Kathedralen der Marktwirtschaft umgeschlagene Luxusware. Die Verwandlung der Spanplattenkiste in ein Goldkästchen spiegelt zudem die Verwandlung des Straßenladens in den white cube der Galerie Ruwitt///Weiss und umgekehrt. Dabei fungiert die Raum in Raum Konstruktion als eine Form der Aneignung bei gleichzeitiger Distanzierung. In dieses Paradox setzt sich das ABER.
ABER steht ursprünglich für den Einspruch des Einzelnen gegen die Mehrheit. Es ist die Stimme des Subjekts gegen das scheinbar Objektive. Es bringt das Besondere ins Spiel, wenn vom Allgemeinen die Rede ist. Als Einspruch gegen die Konvention ist es emanzipatorischer Motor gesellschaftlicher Entwicklungen. In der Kunst spielt das ABER die Rolle jenes notwendigen Korrektivs, das die Ismen der Kunst aufbricht und Neues ermöglicht. Doch in einer radikal individualisierten Gesellschaft, in der jede politische oder gesellschaftliche Utopie verloren gegangen ist, ist es allein ihr ABER, was die konkurrierenden Individuen noch miteinander gemein haben. Der Einspruch ist Territoriumsmarkierung geworden.
Goldene Auskleidung innen, sichtbare Konstruktion außen: Konzeption und Ausführung, Konstruktion und Schein, Wahrheit und Verführung – das sind die beiden Seiten, die am ABER haften.
BABA situiert sich im Spannungsfeld zwischen verbrauchten utopischen Entwürfen einerseits und der Selbstbehauptung des Individuums andererseits. In dessen notwendig subjektiv bleibenden Entwürfen, in denen noch Reste eines kanonisierten guten Geschmacks überleben und die nichts anderes sind als Attrappen seiner Durchsetzung, gilt nur, was Erfolg verheißt.
Beide Entwürfe bejahend und sich gleichzeitig von ihnen distanzierend setzt sich BABA zwischen Konzeptualismus und einer den Konzeptionalismus ablehnenden ironischen Trash-Ästhetik, zwischen autonome Kunst und vergoldete Kellerbar. BABA ist eine künstlerische Setzung, die sich selbst problematisiert. Die BABA immanente Gegenläufigkeit von Behauptung und Aufhebung stellt die grundsätzliche Frage: Was will Kunst noch leisten?
Michael Hofstetter, 2004