Zeiträume, Juli - Sept. 2009
NUSSER & BAUMGART ZU GAST BEIM SÜDDEUTSCHEN VERLAG, MÜNCHEN
16.07.2009 bis 30.09.2009

 

Michael Hofstetter | Brian McKee | Peter Schlör | Winter/Hörbelt |
 
"Die Galerie Nusser & Baumgart freut sich, Sie ganz herzlich zu einer Premiere der besonderen Art einzuladen: zu der Ausstellung ZEITRÄUME, die im Foyer des erst unlängst bezogenen Gebäudes des Süddeutschen Verlages in der Hultschiner Straße 8 stattfindet. Für die Ausstellung haben Nusser & Baumgart mit Dr. Annette Doms vier künstlerische Positionen ausgewählt, die sich auf unterschiedliche Weise auf die Besonderheit dieses Ortes beziehen lassen.


Mit dem Material der Zeitungsmacher, mit der Sprache, arbeitet der Münchner Michael Hofstetter (*1961) in seiner Architektur-Skulptur „Tempel“, die den unter Kreativen gleichermaßen beliebten wie verhassten Satz „Woran arbeiten Sie sonst noch gerade?“ übermannshoch in Szene setzt – auf Englisch natürlich, um der gebotenen Internationalität Rechnung zu tragen. Das Spiel mit den Worten aber verwandelt sich in Hofstetters Sprachturm in ein komplexes, verschachteltes Formgefüge, in dem sich Innen- und Außenansicht permanent überschneiden. In solchen buchstäblich vielschichtigen Arbeiten reflektiert der konzeptuell geprägte Künstler die Bedingungen, unter denen Kunst entsteht, präsentiert und wahrgenommen wird. Das verlangt dem Betrachter bisweilen einiges an Mitdenken ab, ist angesichts des hintergründigen Humors, der in den Arbeiten spürbar wird, aber zugleich außerordentlich vergnüglich.


Kriegsschauplätze spielen für Journalisten seit jeher eine bedeutsame Rolle. Eben diese bereist auch der in New York lebende Fotograf Brian McKee (*1977). In jüngerer Zeit entstanden Aufnahmen im Libanon und in Afghanistan. Im Gegensatz zu Reportern, die das aktuelle Geschehen zumeist in dramatischen Bildern einzufangen suchen, schafft McKee aber eher stille Aufnahmen von Gebäuden und Landschaften, die als stumme Zeugen agieren und die Wunden zeigen, die ihnen durch das kriegerische Geschehen geschlagen wurden.Titel wie „Ballroom“, „Castle“ oder „Palace“ lassen die einst prachtvolle Vergangenheit der Räume erahnen, die jetzt von Schutt und Einschusslöchern übersät sind, vermeiden aber konkrete Ortsangaben. McKee, der sich selbst als visuellen Historiker bezeichnet , ist demzufolge nicht so sehr an dem singulären Ereignis interessiert, sondern sieht seine Arbeiten eher als allgemeine Zeugnisse der Weltgeschichte, die – traurig, aber wahr – von Kriegen gekennzeichnet ist.


Der in Mannheim lebende Peter Schlör (*1964) bedient sich zwar desselben Mediums – der Fotografie –, setzt dieses aber grundlegend anders ein. Seine Schwarz-Weiß-Aufnahmen von Gebäuden und Landschaften sind durch Kompositionsprinzipen wie Symmetrie und Goldener Schnitt so streng aufgebaut, dass sich die konkreten Orte in ästhetische Ereignisse verwandeln, die als universale und überzeitliche Ordnungsmuster erfahrbar werden. Durch diese formale Strenge und den bewussten Einsatz von Kontrasten – etwa mittels tiefer Schlagschatten – erhalten die Aufnahmen annähernd architektonische Qualitäten. Umso eher sind sie dazu geeignet, mit der Architektur des neuen Verlagsgebäudes in einen spannungsvollen Dialog zu treten, der nicht zuletzt durch den Gegensatz zwischen der Ruhe, die die Fotografien ausstrahlen, und den geschäftigen Aktivitäten im Gebäude gekennzeichnet ist.


Selbst aktiv werden dürfen alle Betrachter schließlich bei den Arbeiten des Künstlerduos Wolfgang Winter (*1960) und Berthold Hörbelt (*1958): Die meist farbintensiven Arbeiten lassen sich als ortsbezogene minimalistische Skulpturen lesen und fungieren doch zugleich als Spielgerät, transparenter Beleuchtungskörper, Sitzbank oder Teppich. Anders als die anderen Exponate sind diese Werke also auch auf ganz praktische Weise zu benutzen. Charmant-ironisch kommentieren sie damit kunsttheoretische Auseinandersetzungen über Ästhetik und die Funktion(slosigkeit) der Kunst und demonstrieren, dass Grenzüberschreitungen möglich sind, ohne die Aura des Kunstwerks anzukratzen. Zugleich können sie dadurch eine Diskussion über den Ausstellungsort Verlagsgebäude anregen, der auf vergleichbare Weise im Spannungsfeld zwischen praktischer und ästhetischer Funktion steht."


Text: Dr. Martina Fuchs